WiYou.de - Ausgabe 03/14 - page 6

WiYou . Wirtschaft und Du . Ausgabe 3­2014
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Kristina, erstmal Glückwunsch zum Sieg in Moskau. Das ist ja aber nur
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einer von bisher sehr vielen Erfolgen. Wie meinst du das denn mit:
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„Dabei komme ich jetzt erst ins richtige Rennalter?“
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„Als Radsportlerin ist man ab Anfang zwanzig bis ungefähr dreißig im besten
Alter. Ich habe das früher auch nicht verstanden, aber jetzt mit 23 sehe ich,
dass es stimmt. Ich merke, dass ich mich weiterentwickelt habe, bestimmte
Fehler nicht mehr mache und immer besser werde. Auch wenn ich früher
schon erfolgreich war, bin ich erst jetzt mit den ‚Großen‘ auf Augenhöhe.“
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Wie bist du denn überhaupt aufs Bahnrad gekommen?
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„Das war eigentlich ein Zufall. Ich habe so mit zehn oder elf ein Plakat für
Straßenradsport gesehen und bin da einfach mal hin. Es hat Spaß gemacht,
also blieb ich. Bei den Landesmeisterschaften bin ich dann auch mal auf der
Bahn gefahren und hab da auf einmal alles gewonnen. Daraufhin hat mich
mein Trainier zum Bundessichtungsrennen geschickt. Auch da hab ich gewon­
nen und war plötzlich im Nationalkader. Ich habe auch jahrelang sehr gern ge­
tanzt, aber irgendwann ging beides zusammen zeitlich einfach nicht mehr und
ich habe eine Münze geworfen. Ich wäre beim Tanzen aber wohl auch nie so
erfolgreich geworden.“
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Blieb denn neben so viel Sport überhaupt noch Zeit für die Schule?
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„Ich war damals noch auf einer Realschule in Sömmerda. Mit drei­, viermal
die Woche Training war es schon schwierig. Ich bin dann, als ich in den
Bundeskader kam, aufs Sportgymnasium nach Erfurt gewechselt. Der Stun­
denplan war dort auf die Sportler abgestimmt und auch das Training viel ge­
zielter. Es ging für mich das erste Mal so richtig nach vorn im Sprint. Ich habe
einen Jugendrekord nach dem anderen gebrochen und bin quasi nebenbei
sechsfache Juniorenweltmeisterin geworden.“
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Und da stand die Karriere als Leistungssportlerin fest? Oder hattest du
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noch einen „normalen“ Traumberuf?
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„Ich wollte eigentlich unbedingt das Abitur machen, habe dann aber gesehen,
dass viele Leistungssportler nach der Schule eine Ausbildung bei der Landes­
oder Bundespolizei anfangen und dafür braucht man kein Abi. Da Polizistin
schon früher einer meiner Berufswünsche war, bin ich dann doch mit dem
Realschulabschluss abgegangen und habe über die Sportförderung bei der
Bundespolizei angefangen.“
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Das ist dann aber keine normale Ausbildung gewesen?
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„Nein, da gibt es spezielle Sportklassen. Die haben statt der üblichen zweiein­
halb Jahre vier Jahre Zeit. Ich hatte in den ersten drei Jahren von September
bis Dezember und im letzten von September bis Februar Ausbildung und war
die restliche Zeit freigestellt. Allerdings war das für mich ein bisschen schwie­
rig, weil die Hauptsaison für die Bahnradfahrer im Winter ist. Mit Reisen,
Wettkämpfen und Prüfungen war das ganz schön stressig. Jetzt habe ich eine
hundertprozentige Freistellung. Ich muss nur für vier Wochen im Jahr zum
Praktikum und ab und zu ein paar E­Learningaufgaben machen, damit ich im
Stoff bleibe. Ich liebe diesen Job und freue mich darauf, irgendwann richtig zu
arbeiten. Zum Glück konnte ich über diesen Weg als Leistungssportler die
Mindestgröße für Polizeianwärter umgehen, dazu hätten mir nämlich eigent­
lich zwei Zentimeter gefehlt.“
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Könntest du denn jetzt erstmal auch vom Sport allein leben?
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„Nein, aber das ist in den meisten Sportarten so, abgesehen von den richtig
populären. Mit dem Erfolg kommen zwar auch immer wieder Prämien und
Preisgelder, aber mir ist wichtig, dass ich ein regelmäßiges Gehalt habe.
Außerdem kann es im Sport eben auch schnell vorbei sein, und dann will ich
eine Absicherung haben.“
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Apropos Sicherheit, so ganz ungefährlich sieht dein Sport ja nicht aus …
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„Ach, ich finde das gar nicht so riskant. Am Anfang hatte ich gerade an der
Bande auch immer eine bisschen zu viel Respekt und bin öfter mal gestürzt,
aber mit der Erfahrung kommt die Sicherheit und dann passiert das nur noch
selten. Wenn, dann tut es allerdings auch richtig weh, weil man mit sehr hoher
Sie ist 23 Jahre alt, in Kirgisien geboren, in Thüringen aufgewachsen und:
sechsfache Junioren­Weltmeisterin, fünffache Weltmeisterin und Olympia­
siegerin. Außerdem bricht sie regelmäßig Bahnrekorde, war Radsportlerin
des Jahres 2013 und hat gerade erst beim Bahn Grand Prix in Moskau be­
wiesen, dass das alles noch lange kein Grund ist, auf die Bremse zu treten.
Sie sagt: „Ich will immer mehr!“ und sie käme ja auch jetzt erst ins richtige
Rennalter. Ach und außerdem könne man mit ihrem Rad ohnehin nicht
bremsen, es habe nämlich gar keine Bremse. Fürs WiYou­Interview hält
Kristina Vogel trotzdem mal kurz an.
Fotos: Manuela Müller, privat
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„Ich will immer noch besser werden,
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noch mehr erreichen. Ich möchte die beste
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Radsportlerin der Welt werden.“
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Kristina beim Sprintcup
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in Cottbus im Mai 2014
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Ungebremst!
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